11.03.2021

ANgeDACHT: März 2021

19.02.2020 – Ein Tag, den man in Hanau und über Hanau hinaus nicht vergessen wird. Ein Tag, der das Leben der Angehörigen für immer verändert hat. Eine schreckliche, rassistisch motivierte Tat, die neun Hanauer*innen aus dem Leben gerissen hat. Es gibt seitdem viele offene Fragen zu dem, was passiert ist. Zu vielem wünschen sich die Angehörigen auch heute noch Antworten und Aufklärung.

„Wo kann man das kaufen? Eine Hand voll Vertrauen, der Glanz in dein'n Augen

Sag mir, wo kann man das kaufen? Sich zusammenzuraufen und aufeinander zu bauen“ (Interpret: Alligatoah, Lied: Wo kann man das kaufen)

Ich, Jakob, wohne in Hanau, in der Nähe einer der beiden Tatorte des Attentats. In der Zeit danach bin ich auf das Lied von Alligatoah gestoßen, dessen Refrain mich, unabhängig vom Rest des Liedes, sehr angesprochen hat. Die Fragen, die im Refrain aufgegriffen werden, sind Fragen, die mich vor allem in der Zeit nach dem Attentat, aber auch noch heute beschäftigen. Fragen nach dem, was es für ein Miteinander braucht und auch nach dem, worauf es ankommt. Aufeinander zu bauen, sich zu vertrauen und sich zusammenzuraufen. Doch sind viele seit dem 19.02. sehr feinfühlig und es braucht Zeit. Das habe ich vergangenes Jahr erlebt, als ich abends von der Arbeit nach Hause gefahren bin und vor einer Kneipe in Hanau kurz stehen geblieben bin und schauen wollte, ob ich erst nochmal nach Hause gehe oder direkt mit dem Bus zu einer Feier weiterfahre, zu der ich eingeladen war. Als ich auf mein Handy schaute kam eine Person heraus und bat mich sehr deutlich und unmissverständlich wegzugehen, weil die Inhaberin aufgrund des Attentats Angst hätte, dass ich etwas planen würde. Eine Situation, die mich damals sehr zum Nachdenken gebracht hat. Ein Moment, der mir vor Augen geführt hat, wie tiefgreifend das Attentat das Leben in Hanau verändert hat. In Hanau hat kurz nach dem Attentat ein Friedensgebet stattgefunden, an dem Vertreter*innen der muslimischen, jüdischen und katholischen Gemeinden in Hanau teilgenommen und gesprochen haben. Sehr deutlich kam heraus, wie wichtig es ist, einander anzuschauen, beim Namen zu nennen und uns alle als von Gott geschaffene und von ihm beim Namen genannte Menschen zu schätzen. In der Bibel wird genau das an vielen Stellen sehr deutlich:

„Gott der Adam ruft und ihn fragt: Wo bist du?“

„Gott der uns schuf: Als Mann und Frau und segnete sie und gab ihnen den Namen »Mensch« zur Zeit, da sie geschaffen wurden.“

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

„Friede sei mit dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde, jeden mit Namen.“

Und durch Jesus, der uns zur Nächstenliebe aufruft: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.“

Unser Glaube, unsere Überzeugung als Christen kann uns Antworten auf die Fragen des Vertrauens, des Zusammenraufens und aufeinander Bauens geben. Er kann uns als Gemeinschaft unterschiedlichster Religionen verbinden und uns Zuversicht und Kraft geben. Durch ihn können wir uns immer wieder bewusst machen, unser Gegenüber als Mensch beim Namen zu nennen, ihn als Kind Gottes zu sehen und mit ihm und allen anderen in einer Gemeinschaft zu leben, deren Grund die Nächstenliebe, das gemeinsame Miteinander unterschiedlichster Menschen, mit unterschiedlichstem Glauben ist. Dies hat auch noch einmal die Bischöfin der EKKW in ihrer Predigt im Gedenkgottesdienst dieses Jahr in der Marienkirche in Hanau hervorgehoben. Sie hat die Worte des Imans aus dem Friedensgebt vergangenen Jahres noch einmal aufgenommen. Es ist gut, wenn wir von einander die Namen kennen und uns dadurch als Personen, Kolleg*innen, Nachbar*innen, Mitschüler*innen, … wahrnehmen und schätzen!

Ich wünsche uns, dass wir uns das im Miteinander immer wieder bewusst machen, uns beim Namen zu nennen, aufeinander zuzugehen, offen füreinander zu sein!

Ihnen und Euch wünsche ich Gottes reichen Segen für die kommende Zeit!

Text von Jakob Lotz

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